Ein Zielunternehmen bewerten: Bewertungsmethoden für Käufer

Einleitung
Der Verkäufer nennt einen Preis. Sie müssen wissen, ob er gerechtfertigt ist. Die Berechnung Ihrer eigenen Bewertung gibt Ihnen die sachlichen Argumente, um gelassen zu verhandeln, ohne sich ausschliesslich auf die Zahlen des Verkäufers zu verlassen.
Viele Käufer beginnen die Verhandlung, ohne ihre eigenen Berechnungen durchgeführt zu haben. Das Ergebnis: Sie akzeptieren einen zu hohen Preis oder verpassen eine Gelegenheit aus Mangel an Methodik. Die Beherrschung der Bewertungstechniken positioniert Sie als seriösen und vorbereiteten Käufer.
Dieser Leitfaden beschreibt 4 Bewertungsmethoden, die für Käufer von KMU in der Schweiz geeignet sind: EBITDA-Multiplikatoren, Schweizer Praktikermethode, diskontierte Cashflows (DCF) und Substanzwertmethode. Sie lernen, diese konkret anzuwenden, die Ergebnisse zu vergleichen, um eine realistische Bandbreite zu erhalten, und Ihre Bewertung in der Verhandlung einzusetzen.
Ob Sie Ihr erstes Unternehmen übernehmen oder Ihr Portfolio erweitern möchten, diese Werkzeuge helfen Ihnen, Ihr Angebot zu strukturieren und Ihre Position gegenüber dem Verkäufer zu verteidigen.
📌 Zusammenfassung (TL;DR)
Die Berechnung einer eigenen Bewertung vor dem Kauf ermöglicht es, mit sachlichen Argumenten zu verhandeln. Die 4 Hauptmethoden (EBITDA-Multiplikatoren, Schweizer Praktikermethode, DCF, Substanzwertmethode) ergänzen sich, um eine realistische Bandbreite zu etablieren. Vergleichen Sie die Ergebnisse, passen Sie sie an die Besonderheiten des Zielunternehmens an und nutzen Sie Ihre Bewertung, um ein solides und in der Verhandlung vertretbares Angebot zu strukturieren.
📚 Inhaltsverzeichnis
Warum als Käufer eine eigene Bewertung berechnen
Der vom Verkäufer geforderte Preis ist nur ein Ausgangspunkt. Als Käufer müssen Sie Ihre eigene unabhängige Unternehmensbewertung für den Kauf erstellen, um eine Überzahlung zu vermeiden.
Eine solide Bewertung ermöglicht es Ihnen, Abweichungen vom angegebenen Preis zu identifizieren und sachliche Argumente für die Verhandlung vorzubereiten. Sie deckt auch versteckte Risiken und Möglichkeiten für Preisanpassungen auf.
Die Bewertung ist keine exakte Wissenschaft. Sie ist ein Verhandlungsinstrument, das Sie als informierten und glaubwürdigen Käufer positioniert. Ohne diese Grundlage verhandeln Sie blind.
Ihre Berechnung wird zum Fundament Ihrer Kaufstrategie. Sie strukturiert Ihre Gespräche und hilft Ihnen, Ihren maximal akzeptablen Preis zu definieren. Erfahren Sie, wie Sie sie nutzen können, in unserem Leitfaden über Verhandlungstaktiken für Käufer.
Die 4 Bewertungsmethoden für Käufer
Vier Hauptansätze ermöglichen es, den Wert zu berechnen eines Zielunternehmens. Jeder bietet einen anderen Blickwinkel und hat seine Stärken und Grenzen.
Die EBITDA-Multiplikatorenmethode bleibt die am häufigsten verwendete in der Schweiz für KMU. Die Schweizer Praktikermethode kombiniert Vermögen und Ertrag. Der DCF projiziert zukünftige Cashflows. Die Substanzwertmethode konzentriert sich auf das Nettovermögen.
Keine Methode ist allein perfekt. Das Ziel ist es, die vier Ergebnisse zu vergleichen, um eine realistische Bandbreite zu erhalten, die Ihr Angebot leitet.
Die Beherrschung dieser Bewertungsmethoden für Käufer verschafft Ihnen einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Verkäufer. Sie sprechen die gleiche Sprache wie die Experten und demonstrieren Ihre Seriosität.
1. EBITDA-Multiplikatorenmethode
Die Formel ist einfach: Wert = EBITDA × Branchenmultiplikator. Dies ist die am weitesten verbreitete Methode für Schweizer KMU.
Der Multiplikator variiert je nach Branche. Einzelhandel: 3-4x. Technologie und IT-Dienstleistungen: 5-7x. Verarbeitendes Gewerbe: 4-6x. Professionelle Dienstleistungen: 3-5x.
Passen Sie den Multiplikator je nach Grösse, Wachstum und spezifischen Risiken an. Ein KMU mit weniger als 1M CHF EBITDA wird einen niedrigeren Multiplikator als die Branchenbandbreite haben.
Konkretes Beispiel: EBITDA von 200'000 CHF im Handel. Branchenmultiplikator: 3,5x. Geschätzter Wert: 700'000 CHF. Wenn das Unternehmen eine starke Kundenabhängigkeit aufweist, reduzieren Sie auf 3x: 600'000 CHF.
Diese Methode ist schnell und vergleichbar. Sie spiegelt wider, was der Markt tatsächlich zahlt. Konsultieren Sie unseren Leitfaden über Bewertungsmethoden, um tiefer einzusteigen.
2. Schweizer Praktikermethode
Anerkannte Formel in der Schweiz: (2 × Substanzwert + Ertragswert) ÷ 3. Sie kombiniert Vermögen und Rentabilität.
Der Substanzwert entspricht dem bereinigten Nettovermögen (reale Vermögenswerte abzüglich Schulden, mit Marktanpassungen). Der Ertragswert kapitalisiert den normalisierten Gewinn mit einem Satz von 12-20% je nach Risiko.
Beispiel: Bereinigtes Nettovermögen: 500'000 CHF. Normalisierter Gewinn: 120'000 CHF. Kapitalisierungssatz: 15%. Ertragswert: 120'000 ÷ 0,15 = 800'000 CHF. Endberechnung: (2 × 500'000 + 800'000) ÷ 3 = 600'000 CHF.
Diese Methode ist ausgewogen und von Schweizer Treuhandfirmen anerkannt. Sie vermeidet Extreme und bietet eine solide Grundlage für die Verhandlung.
3. Diskontierte Cashflow-Methode (DCF)
Der DCF bewertet das Unternehmen nach seinen diskontierten zukünftigen Cashflows: Wert = Σ (Zukünftige Cashflows) / (1+WACC)^n.
Schritte: Projektion der freien Cashflows über 5 Jahre, Bestimmung des Diskontierungssatzes (typischer WACC: 8-15%), Berechnung des Endwerts für die Folgejahre, Diskontierung des Ganzen.
Vereinfachtes Beispiel: Projizierte Cashflows von 100K, 110K, 120K, 130K, 140K CHF. WACC: 10%. Endwert: 140K × 10 = 1,4M CHF. Diskontierte Summe: ca. 1,1M CHF.
Diese Methode eignet sich für wachsende Unternehmen mit zuverlässigen Prognosen. Sie ist empfindlich gegenüber Annahmen: Ein WACC von 12% statt 10% reduziert den Wert um 15-20%.
Komplex, aber präzise, ergänzt sie die anderen Ansätze sinnvoll.
4. Substanzwertmethode (angepasster Nettovermögenswert)
Formel: Vermögenswerte - Verbindlichkeiten, mit Anpassungen an Marktwerte. Sie bevorzugt das, was das Unternehmen besitzt.
Nützlich für Unternehmen mit bedeutenden materiellen Vermögenswerten: Immobilien, Lagerbestände, Ausrüstung, Fahrzeuge. Weniger relevant für Dienstleistungen oder immaterielle Aktivitäten.
Notwendige Anpassungen: Neubewertung von Immobilien zum Marktpreis, Abschreibung veralteter Lagerbestände, Ausschluss von nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerten (persönliche Anlagen), Aktualisierung zweifelhafter Forderungen.
Beispiel: Buchwerte der Vermögenswerte: 800'000 CHF. Verbindlichkeiten: 300'000 CHF. Buchhalterisches Nettovermögen: 500'000 CHF. Nach Immobilienneubewertung (+150K) und Lagerbestandsabschreibung (-50K): 600'000 CHF.
Diese Methode legt einen Mindestwert fest. Sie gibt Sicherheit über die Vermögenssubstanz, ignoriert aber die zukünftige Rentabilität.
Methoden vergleichen, um eine Bandbreite zu erhalten
Verlassen Sie sich niemals auf eine einzige Methode. Jede beleuchtet einen anderen Aspekt des Werts. Der Vergleich zeigt die realistische Bandbreite.
Konkretes Beispiel: EBITDA-Multiplikatoren: 800'000 CHF. Schweizer Praktikermethode: 750'000 CHF. DCF: 900'000 CHF. Substanzwertmethode: 700'000 CHF. Endgültige Bandbreite: 750'000-850'000 CHF.
Wenn ein Ergebnis stark abweicht, analysieren Sie warum. Ein sehr hoher DCF kann optimistische Annahmen widerspiegeln. Ein niedriger Substanzwert signalisiert eine mittelmässige Rentabilität der Vermögenswerte.
Diese Bandbreite wird zu Ihrer Verhandlungsgrundlage. Sie ermöglicht es Ihnen, Ihr Angebot mit mehreren Analyseansätzen zu rechtfertigen. Verwenden Sie sie mit unserem Schnellbewertungsraster, um Ihre Entscheidung zu verfeinern.
Zu berücksichtigende spezifische Anpassungen
Die Bruttobewertung muss mit Anpassungen verfeinert werden, die die bei Ihrer Analyse identifizierten Risiken und Anomalien widerspiegeln.
Anpassung des Geschäftsführergehalts: Wenn der Eigentümer sich 80'000 CHF auszahlt, während der Markt 120'000 CHF erfordert, reduzieren Sie den Gewinn um 40'000 CHF und berechnen Sie neu.
Nicht wiederkehrende Kosten: Rechtsstreitigkeiten, aussergewöhnliche Reparaturen, Restrukturierungskosten. Normalisieren Sie das Ergebnis, indem Sie diese ausschliessen oder je nach wahrscheinlicher Wiederkehr einbeziehen.
Aufgeschobene Investitionen: Veraltete Ausrüstung, veraltetes IT-System, zu renovierende Räumlichkeiten. Schätzen Sie die Kosten (50-200K CHF) und ziehen Sie diese vom Wert ab.
Kunden-/Lieferantenabhängigkeit: Ein Kunde, der >30% des Umsatzes ausmacht, rechtfertigt eine Reduktion von 10-15%. Ein einziger Lieferant: 5-10%.
Jede Anpassung wird zu einem dokumentierten und vertretbaren Verhandlungsargument.
Ihre Bewertung in der Verhandlung einsetzen
Ihre Käuferbewertung ist keine Waffe, sondern ein Dialoginstrument. Präsentieren Sie sie konstruktiv, um zu einer Einigung zu gelangen.
Dokumentieren Sie jede Annahme: Branchenmultiplikatoren, Diskontierungssatz, Anpassungen. Transparenz stärkt Ihre Glaubwürdigkeit und erleichtert die Diskussion.
Drängen Sie Ihre Zahl nicht auf. Erklären Sie stattdessen die Abweichungen vom geforderten Preis: "So komme ich auf 750K CHF, während Sie 900K verlangen. Lassen Sie uns über die Annahmen sprechen."
Bereiten Sie Szenarien vor: optimistisch (850K), realistisch (750K), pessimistisch (650K). Dieser Ansatz zeigt Ihre Flexibilität und bewahrt gleichzeitig eine sachliche Grundlage.
Die Bewertung eröffnet die Verhandlung, sie schliesst sie nicht ab. Konsultieren Sie unseren Leitfaden über Verhandlungstaktiken, um tiefer einzusteigen.
Wann einen Experten hinzuziehen
Bestimmte Situationen rechtfertigen externe Expertise, um Ihre KMU-Wertberechnung zu validieren oder zu verfeinern.
Transaktionen >2M CHF: Der finanzielle Einsatz verdient eine professionelle Validierung. Komplexe Strukturen: Holdings, mehrere Tochtergesellschaften, internationale Vermögenswerte. Schwer zu bewertende Vermögenswerte: Patente, Marken, Gewerbeimmobilien. Erhebliche Meinungsverschiedenheit: Abweichung >30% vom Verkäufer.
Die Experten des Leez-Netzwerks (Treuhandfirmen, zertifizierte Bewerter) können eine unabhängige Bewertung durchführen. Typische Kosten: 2'000-5'000 CHF je nach Komplexität.
Diese Investition amortisiert sich oft durch eine bessere Verhandlung. Ein Expertenbericht stärkt Ihre Position und beschleunigt den Abschluss.
Für Standardfälle (<1M CHF, einfache Struktur) reichen Ihre eigenen Berechnungen in der Regel aus. Verwenden Sie unser Bewertungstool für eine erste Schätzung.
Die Berechnung Ihrer eigenen Bewertung vor Beginn einer Verhandlung verschafft Ihnen einen strategischen Vorteil. Die vier vorgestellten Methoden, EBITDA-Multiplikatoren, Schweizer Praktikermethode, DCF und Substanzwertmethode, bieten jeweils einen anderen Analysewinkel. Durch deren Vergleich erhalten Sie eine realistische Bandbreite, die den finanziellen Wert, die Wachstumsaussichten und die Besonderheiten des Schweizer Marktes widerspiegelt.
Diese Schätzung ersetzt nicht den vom Verkäufer geforderten Preis, ermöglicht es Ihnen aber, überbewertete Gelegenheiten schnell zu identifizieren und ein kohärentes Angebot zu strukturieren. Die spezifischen Anpassungen (Kundenabhängigkeit, Qualität der Vermögenswerte, operative Risiken) verfeinern Ihre Analyse und stärken Ihre Argumente in der Verhandlung.
Für komplexe oder strategische Fälle bleibt die Begleitung durch einen Bewertungsexperten empfehlenswert. Erkunden Sie die auf Leez verfügbaren Unternehmen und wenden Sie diese Methoden an, um Gelegenheiten zu identifizieren, die Ihren Kriterien entsprechen. Wenn Sie professionelle Begleitung wünschen, steht Ihnen unser Expertennetzwerk zur Verfügung.


