Ein kleines Hotel übernehmen: Wie analysiert man die Auslastung und die Kosten?

Einleitung
Die Übernahme eines kleinen Hotels stellt ein zugleich verlockendes und komplexes Projekt dar. Zwischen der Attraktivität des Hotelgewerbes und der Realität der Zahlen kann die Diskrepanz erheblich sein. Eine Auslastungsrate von 60% erscheint auf dem Papier vielversprechend, aber wie sieht es tatsächlich aus, wenn die Fixkosten abgezogen sind?
Die Finanzanalyse eines Hotels bei einer Übernahme unterscheidet sich grundlegend von der anderer Geschäfte. Die Fixkosten sind besonders hoch: Miete oder Immobilienkosten, Mindestpersonal, Energie, Versicherungen. Diese Ausgaben laufen auch dann weiter, wenn die Zimmer leer bleiben. Umgekehrt folgen die variablen Kosten der Geschäftstätigkeit, können aber strukturelle Ineffizienzen verbergen.
Bevor Sie sich verpflichten, müssen Sie verstehen, wie man die Auslastungsindikatoren entschlüsselt, die unflexiblen Fixkosten identifiziert und die tatsächliche Gewinnschwelle berechnet. Dieser Leitfaden gibt Ihnen die konkreten Werkzeuge, um die finanzielle Tragfähigkeit eines Betriebs zu bewerten und böse Überraschungen zu vermeiden. Denn im Hotelgewerbe ist es die Kostenstruktur, die bestimmt, ob eine gegebene Auslastungsrate Gewinn oder Verlust generiert.
📌 Zusammenfassung (TL;DR)
Die Bewertung eines kleinen Hotels beruht auf drei Säulen: die tatsächlichen Auslastungsindikatoren analysieren (Rate, RevPAR, Saisonalität), die unflexiblen Fixkosten präzise quantifizieren (Immobilien, Personal, Energie) und die Proportionalität der variablen Kosten überprüfen. Die Gewinnschwelle und die Warnsignale (sinkende Auslastung, unverhältnismässige Kosten) offenbaren die tatsächliche Tragfähigkeit des Projekts vor der Übernahme.
📚 Inhaltsverzeichnis
- Die vorrangig zu analysierenden Auslastungsindikatoren
- Die Auslastungszahlen entschlüsseln: Was sie wirklich verraten
- Fixkosten identifizieren und quantifizieren
- Variable Kosten und ihre Proportionalität analysieren
- Die Gewinnschwelle und die tatsächliche Marge berechnen
- Die Warnsignale, die man nicht ignorieren darf
Die vorrangig zu analysierenden Auslastungsindikatoren
Bevor Sie ein Hotel übernehmen, fordern Sie vom Verkäufer die Auslastungsdaten über mindestens 3 Jahre an. Die wesentlichen Kennzahlen umfassen die jährliche Auslastungsrate (Anzahl verkaufter Übernachtungen / verfügbare Übernachtungen), die Rate nach Saison und den RevPAR (Umsatz pro verfügbarem Zimmer).
Diese Zahlen stammen aus den Jahresabschlüssen, der Reservierungssoftware oder den kantonalen Statistiken. In der Schweiz sind die saisonalen Schwankungen ausgeprägt: Hochsaison im Sommer an den Seen, im Winter in den Bergen oder regelmässige Auslastung in städtischen Gebieten.
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer zeigt die Art der Kundschaft. Eine Historie über 3 Jahre ermöglicht es, Trends zu identifizieren und die zukünftige Rentabilität zu antizipieren.
Die Auslastungszahlen entschlüsseln: Was sie wirklich verraten
Eine Auslastungsrate von 60% kann je nach Kontext ausgezeichnet oder mittelmässig sein. Analysieren Sie die Verteilung: Woche vs. Wochenende, Geschäftskunden vs. Tourismus, Direktbuchungen vs. Plattformen (Booking, Expedia).
Ein städtisches Hotel mit 70% Auslastung unter der Woche und 30% am Wochenende zeigt eine Abhängigkeit von Geschäftskunden. Ein Berghotel mit 80% im Winter und 20% im Sommer offenbart eine starke Saisonalität.
Überprüfen Sie die Kohärenz zwischen der deklarierten Auslastung und den verbuchten Einnahmen. Eine erhebliche Abweichung signalisiert unzuverlässige Daten oder eine problematische Preisgestaltung. Vergleichen Sie mit den regionalen Benchmarks, die bei den kantonalen Tourismusbüros verfügbar sind.
Fixkosten identifizieren und quantifizieren
Die Fixkosten eines kleinen Hotels machen oft 60-70% der Gesamtkosten aus. Sie variieren nicht je nach Auslastung und müssen auch in der Nebensaison gedeckt werden.
Drei Kategorien dominieren: die Immobilienkosten (Miete oder Hypothek), die Lohnkosten und die Betriebskosten (Energie, Versicherungen, Unterhalt). Holen Sie die genaue Aufschlüsselung über 12 Monate ein, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Diese Kosten bestimmen Ihre Gewinnschwelle. Ein kleiner Betrieb mit 10 Zimmern kann monatliche Fixkosten von 15'000 bis 25'000 CHF haben, je nach Standort.
Immobilienkosten und Miete
Die Geschäftsmiete oder die Hypothekenlasten stellen oft den schwersten Posten dar. In der Schweiz variiert ein Geschäftsmietvertrag für ein kleines Hotel zwischen 3'000 und 10'000 CHF/Monat je nach Kanton und Lage.
Fügen Sie die Stockwerkeigentumskosten, die Gemeinde- und Kantonssteuern hinzu (die zwischen Genf, Zürich oder dem Wallis stark variieren). Überprüfen Sie die Bedingungen des bestehenden Mietvertrags: verbleibende Laufzeit, Kündigungsklauseln, Möglichkeit der Abtretung.
Wenn das Hotel Eigentum ist, prüfen Sie die Hypothekenbedingungen und die Möglichkeit der Übernahme oder Refinanzierung. Diese Elemente wirken sich direkt auf Ihre monatliche Liquidität aus.
Personal und Lohnkosten
Ein kleines Hotel benötigt mindestens 1-2 Vollzeitäquivalente (Rezeption, Reinigung, Frühstücksservice). Die Bruttolöhne variieren zwischen 4'000 und 5'500 CHF/Monat je nach Funktion und Region.
Fügen Sie 15-20% Sozialabgaben hinzu (AHV, Versicherungen, Vorsorge). Der Gesamtarbeitsvertrag GastroSuisse legt die Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen im Hotelgewerbe fest.
Bei einer Übernahme müssen Sie oft das bestehende Personal übernehmen. Überprüfen Sie die Verträge, die Dienstjahre und eventuelle Abgangsentschädigungen. Die Lohnkosten machen in der Regel 25-35% des Umsatzes eines kleinen Betriebs aus.
Energie, Versicherungen und Unterhalt
Heizung und Strom wiegen in der Schweiz schwer, besonders bei einem alten Gebäude. Rechnen Sie mit 1'000 bis 3'000 CHF/Monat je nach Grösse und Isolation des Hotels.
Die obligatorischen Versicherungen (Haftpflicht, Gebäude, Inventar) kosten 3'000 bis 8'000 CHF/Jahr. Die Unterhaltsverträge (Lift, Heizung, Brandschutz) kommen mit 2'000 bis 5'000 CHF/Jahr hinzu.
Die Schweizer Normen bezüglich Sicherheit und Zugänglichkeit sind streng. Eine unvorhergesehene Normierung (Brandmelder, Rampen) kann erhebliche Kosten verursachen. Fordern Sie vor der Übernahme ein technisches Audit an.
Variable Kosten und ihre Proportionalität analysieren
Die variablen Kosten entwickeln sich mit der Auslastung: Wäscherei (8-15 CHF/Übernachtung), Pflegeprodukte (3-5 CHF), Frühstück (5-12 CHF), OTA-Provisionen (15-25% auf Booking oder Expedia) und Kreditkartengebühren (1-2%).
Berechnen Sie die durchschnittlichen variablen Kosten pro verkaufter Übernachtung. Für ein kleines Hotel liegen sie zwischen 25 und 40 CHF. Überprüfen Sie, dass diese Kosten proportional zur deklarierten Auslastung in den Konten sind.
Prüfen Sie die Verträge mit den Buchungsplattformen. Provisionen über 20% reduzieren die Marge stark. Identifizieren Sie den Anteil der Direktbuchungen (Website, Telefon), die eine bessere Rentabilität generieren.
Diese Analyse zeigt die tatsächliche Marge pro Übernachtung. Wenn Sie die Logik der Kostenanalyse vertiefen möchten, konsultieren Sie unseren Leitfaden zur Bewertung der Margen bei Renovationen.
Die Gewinnschwelle und die tatsächliche Marge berechnen
Die Gewinnschwelle zeigt die minimale Auslastungsrate an, um die Fixkosten zu decken. Formel: Jährliche Fixkosten / (Durchschnittstarif × Anzahl Zimmer × 365 Tage).
Konkretes Beispiel für ein Hotel mit 10 Zimmern: Fixkosten von 180'000 CHF/Jahr, Durchschnittstarif von 120 CHF. Schwelle = 180'000 / (120 × 10 × 365) = 41%. Sie müssen also eine jährliche Auslastung von 41% erreichen, um ausgeglichen zu sein.
Achtung: Die buchhalterische Rentabilität unterscheidet sich von der tatsächlichen Liquidität. Planen Sie eine Sicherheitsmarge von 10-15% für Unvorhergesehenes ein (Reparaturen, vorübergehender Aktivitätsrückgang, dringende Investitionen).
Diese Berechnungen sind entscheidend für Ihre Übernahmesentscheidung. Für eine Validierung durch einen Finanzexperten oder einen Spezialisten des Hotelgewerbes konsultieren Sie unser Partnernetzwerk.
Die Warnsignale, die man nicht ignorieren darf
Bestimmte Indikatoren sollten Sie bei der Analyse eines Hotels alarmieren: progressive Abnahme der Auslastung über 3 Jahre, erhebliche Abweichung zwischen deklarierter Auslastung und verbuchten Einnahmen, unverhältnismässige Fixkosten (über 70% des Umsatzes).
Das Fehlen eines modernen Reservierungssystems oder einer digitalen Präsenz begrenzt das zukünftige Potenzial. Konsultieren Sie die Kundenbewertungen auf Google, TripAdvisor und Booking: Noten unter 7/10 oder wiederkehrende negative Kommentare (Sauberkeit, Empfang, Unterhalt) offenbaren strukturelle Probleme.
Überprüfen Sie, ob Normierungsarbeiten vorzusehen sind (Isolation, Brandschutz, Zugänglichkeit). Diese Investitionen können je nach Zustand des Gebäudes 50'000 bis 200'000 CHF betragen.
Besuchen Sie den Betrieb in der Hoch- und Nebensaison, um die tatsächliche Aktivität zu beobachten. Um die Logik der versteckten Kosten zu verstehen, lesen Sie unseren Artikel über die unvorhergesehenen Kosten bei der Übernahme von Bars und Cafés.
Die Übernahme eines kleinen Hotels erfordert eine rigorose Analyse der Auslastung und der Kosten. Die Auslastungsindikatoren zeigen die Saisonalität und die Abhängigkeit von bestimmten Kundensegmenten. Die Fixkosten (Miete, Personal, Energie) wiegen schwer, auch in der Nebensaison. Die variablen Kosten müssen proportional zum Umsatz bleiben, um die Rentabilität zu bewahren.
Die Berechnung der Gewinnschwelle ermöglicht es Ihnen, die minimale Auslastungsrate zu identifizieren, die notwendig ist, um Ihre Kosten zu decken. Die Warnsignale (sinkende Auslastung, unverhältnismässige Kosten, übermässige Abhängigkeit von einem Kanal) müssen ernst genommen werden, bevor Sie sich verpflichten.
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